Nachruf
Ein ungutes Gefühl beschlich so manchen norddeutschen Radsportler am 3. August, als die Lokalpresse Bestürzendes verbreitete. Sogar der N3-Teletext sowie Portale überregionaler Zeitungen übernahmen an jenem Freitag die Pressemeldung vom Vorfall im Kreis Stormarn – so haarsträubend war das Geschehen. Ein 56-jähriger Rennradfahrer aus Hamburg wäre am Donnerstagabend vor den Toren der Stadt in maximaler Geschwindigkeit auf ein stehendes Auto geprallt und hätte sich dabei so schwer verletzt, dass er in kurzer Zeit – offenbar innerhalb weniger Minuten – sein Leben verlor. Die bange Frage war: Kannte man diesen Mann?
Ja, man kannte ihn, und der Schock sitzt tief: Es war der in Wahrheit 57 Jahre alte Vereinssportler Michael Kusch von der RG Uni Hamburg. Am Ende dieses heißen Hochsommertages ging er wie viele andere auf eine kurze Trainingsrunde. Nicht weit von seinem Zuhause in Hamburg-Rahlstedt nutzte er das freie, ihm sicher gut bekannte Stück zwischen Meilsdorf und Siek zu einer Tempofahrt. Dennoch muss ihm, tief über den Lenker gebeugt, der VW Golf entgangen sein, der kurz vor dem Ortseingangsschild des Ortes Siek dort stand, wo sonst nie ein Pkw steht. Der Fahrer wollte den polizeilichen Angaben zufolge soeben den Zusammenstoß mit einem Reh per Warndreieck absichern. Auf dieses unvermutete Hindernis am Straßenrand traf Michael Kusch ungebremst.
Wie war das möglich? Die Abendsonne kam von hinten, nicht von vorn, der frisch asphaltierte Abschnitt ist sehr gut einsehbar. Zwar ist der Hergang nur Spekulation und noch nicht abschließend geklärt, doch als traurige Gewissheit bleibt, dass Michael Kusch diesen Unfall nicht überlebt hat. Dabei galt er als besonders umsichtiger und auf Sicherheit bedachter Fahrer. Noch Ende Mai zog er seine Meldung für ein Rundstreckenrennen in Kiel zurück, weil er nach Besichtigung den verwinkelten Parkplatzkurs als zu gefährlich einstufte.
Michael Kuschs Engagement für den Radsport war immens. Sein Know-how und die Unterstützung seiner Firma waren gefragt bei der Charity-Fahrt „Rund um Hamfelde“, den Rennradtagen in der City Nord, bei Bahnrennen, selbst beim Cross-Weltcup in Zeven. Auch dem Rennnachwuchs kam seine soziale Einstellung zugute: Das Jugendtraining des noch jungen Vereins Cyclocross-Hamburg e. V. in Hamburg-Volksdorf, den er mitbegründete, betreute er mit Begeisterung ehrenamtlich; die Trauer unter diesen Kindern ist groß. Als erfolgreicher Ü50-Hobbyfahrer fieberte er schon der Crosssaison 2018/19 entgegen, für März 2019 plante er mit Freunden die schon lange ersehnte Teilnahme am legendären Strade-Bianche-Rennen in der Toskana.
Die Rennszene im Norden verliert mit Michael Kusch einen beliebten Kollegen, fairen Konkurrenten und stets bescheidenen, hilfsbereiten Sportsmann. Er hinterlässt eine Ehefrau und eine erwachsene Tochter. Wir bekunden in aufrichtiger Anteilnahme unser Beileid und wünschen Michael eine gute Reise in eine andere, bessere Welt.
Matthias Strzoda im Namen des Vorstandes FC St. Pauli Radsport